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Strong Winds - Heavy Gusts

Kein Tag bei den SeaTrials gleicht dem anderen. Oft stellt sich erst morgens heraus, dass die Haspa nicht segelklar ist. Häufiger Grund hierfür ist unter anderem der Harken ProTrim Traveller. Hierbei wird die lange Talje des klassischen Travellers durch ein Getriebe unter Deck ersetzt, welches durch eine Endlosleine angetrieben wird. Schön gedacht, nur funktioniert es schlichtweg noch nicht und die mühsam erarbeitete Höhe wird zu häufig durch ein kurzes Rutschen des Travellers wieder vernichtet. Hinzu kommen diverse Spontanausfälle, wie in folgender Situation verdeutlicht: Wellington, 7:45 local time; Chriggels Telefon klingelt. Am anderen Ende Johan, an Bord, im Hintergrund ein enervierendes Piepen."Batterien? OVP oder UVP (hier geht es nicht um den astronomischen Kaufpreis)? Welche Lampen? Sch...Sch...[von der Redaktion gekürzt].... ich komme sofort runter..." Hier sei anzumerken, dass die Haspa über spezielle Lithium-sonstwas Batterien verfügt, welche jede für sich über mehr Intelligenz verfügen, als der Durchschnittsgrinder. Beide Batterien wiegen gerade mal 50 kg bei einer Kapazität von knapp 400 AH und verfügen somit über mehr Energie, als die gleiche Masse an TNT. Dolle Teile, zumindest, wenn sie nicht piepen.

Bei den ganzen technischen Herausforderungen wundert es kaum, dass in den vergangenen zwei Wochen seit Übergabe erste 6 Tage ernsthaft gesegelt werden konnte; insgesamt ca. 18-20 Std.; an Tagestrips auf die Südinsel ist nicht einmal zu denken. Hinzu kommt, dass es in Windy Wellington meistens bläst, als ob es kein Morgen gibt. Winde bis 30 Knoten werden unter "Leichtwindsegeln" abgehakt. Der Regelzustand sind Winde zwischen 30 und 40 Knoten, gerne ist es auch mehr. Windfinder gibt hier keine verlässliche Auskunft. Gute Prognosen und Messwerte liefert die Internetseite des lokalen Segelclubs, des Royal Port Nicholson Yacht Clubs (www.rpnyc.org.nz)

Um überhaupt aufs Wasser zu kommen, können Winde über 25 Knoten nicht als Showstopper akzeptiert werden. Also: Reff vorbereitet, die schicken, neuen Spinlock Rettungswesten angelegt und los geht es zum Starkwindtrial. Genua IV, Gross im 2. Reff und ab geht es. In der Bucht von Wellington steht nur eine geringe See, dafür überraschen lokale Winddreher und Böen- quasi Alsterbedingungen für den Hochseesegler. Beim Amwinder geht die Hapsa wieder -wie gewohnt- auf die Seite bis die Kante fast im Wasser ist. Als nächstes soll der erste Max Speed erzielt werden. Schoten fieren und auf Reachgang abfallen. Das Boot beschleunigt auf kurz vor 13 Knoten. Jetzt muss lediglich noch die nautische Schallmauer durchbrochen werden, damit sich Haspa richtig auf die Welle setzt. Bei flachem Wasser erfordert es viel Steuergefühl um richtig in die "Glitsche" zu kommen. Auch hat von uns noch keiner Erfahrung, wie die "Chines" richtig angesprochen werden wollen. Mit "Chines" bezeichnet der Experte die schnittigen Kante in der Bordwand des achterlichen Rumpfes, knapp über der Wasseroberfläche. Autobauer würden es als "new-edge design" bezeichnen. Spass macht es auf jeden Fall, mit anzusehen, wie der sagenhaft breite Rumpf über das Wasser schiesst. Die Crew ist inzwischen gut eingespielt und so erfolgen alle Handgriffe routiniert und verlässlich. Zudem kann die ganze Crew von den VO60 Erfahrungen von Chriggel profitieren. So wird beispielsweise das Gross bei leichter Fahrt achteraus geborgen, was im im Resultat zu gut 10 Knoten weniger Wind im Vorliek führt.

Die Anleger -besonders achteraus- sind spannend bei dem relativ geringen Lateralplan. So rutscht die Nase bei Seitenwind sofort nach Lee, sobald die Fahrt verringert wird. Eine Korrektur mittels Gas geben erfordert Geduld und Nerven, da Saildrive und Ruderblatt gut 3 Meter voneinander entfernt sind. Umso schöner ist das Gefühl, wenn die Haspa wieder fest vertäut an ihrem exponierten Liegeplatz in der Chaffers Marina liegt und die Crew sich zum Debriefing im Cockpit zusammenfindet.

Für die erste SeaTrial Crew endet in diesen Tagen das Abenteuer in Wellington. Hetti und Johannes fliegen Heim, Julian und Alexa werden noch ein paar Tage die Südinsel erkunden und Martin setzt seine Suche nach dem "perfect beach" auf der Nordinsel fort. Es war eine spannende Zeit, geprägt von starken Glücksgefühlen, aber auch Enttäuschungen und nervenraubenden Tagen an Land. Die Möglichkeiten, welche die neue Haspa bietet sind gigantisch: In den wesentlichen Elementen befindet sie sich an der "cutting-edge" maritimer Technologie. Das moderne Rumpfdesign ist bestens mit dem Rigg und den Segeln abgestimmt. Die Technik unter Deck lässt kaum Wünsche offen und ermöglicht somit eine Ausbildung auf dem neuesten Stand, welche sicher so manchen SSS Praxisprüfer vom DSV ins Staunen versetzen und an die Grenzen seiner Fähigkeiten führen wird. Das Gesamtkonzept trifft auf den Punkt genau die Anforderungen eines CruiserRacers: Modern und schnell, aber dennoch robust mit einem Mindestmaß an Komfort. Sie ist nun mal eine One-Off, etwas Besonderes, ein Hingucker- genau, wie die Menschen die sie Segeln- einfach einzigartig.

Martin Röhrig