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Kleine Große Welt

Nach 3 Wochen auf See wird die Haspa zum Universum in der Nussschale

Für die einen ist es ein Schlafzimmer, für die anderen Umkleidekabine oder Hobbykeller. Wir nennen es: Salon

Offshoresegeln. Da denkt man an Freiheit, an die schier unendliche Weite des Ozeans und das endlose Firmament über einem. Stimmt alles. Das Leben an Bord und vor allem unter Deck steht allerdings in einem krassen Gegensatz hierzu. Man stelle sich allein vor: Hier leben seit drei Wochen neun erwachsene Menschen auf der Fläche einer 2 Zimmer Wohnung. Einer ziemlich schäbigen, wenn man ehrlich ist. Naturgemäß muss hier auf jegliche Privatssphäre verzichtet werden. Alles ist öffentlich und man ist nie alleine. Abgeschnitten von so gut wie allen Nachrichten (über die Ergebnisse des HSV werden wir glücklicherweise informiert) leben wir hier in unserer ganz eigenen Welt. Einer schrägen Welt und das darf man durchaus wörtlich verstehen, denn in aller Regel schieben wir Lage und haben eine Neigung von bis zu 45°. Seile, die im Salon unter der Decke gespannt sind, dienen als Hilfe, wenn man sich unter Deck zu seinen Sachen oder in die Koje hangelt. Mitunter der anstrengenste Teil der Wache.

Der Salon bildet auch mit der (offenen) Küche das Herzstück des Schiffes. Hier wird gekocht, geschlafen, abgewaschen, Segel werden genäht und es wird sich an- und ausgezogen. Und das alles gleichzeitig, rund um die Uhr. Da hier eh alles schief und in Bewegung ist, muss auf Sitzgelegenheiten leider verzichtet werden. Entweder es geling einem, sich zwischen Mast und Bordwand zu verkeilen oder man muss sich mit dem Boden vorlieb nehmen. Die oben erwähnten Hangelleinen dienen gleichzeitig als Wäscheleinen zum Aufhängen des nassen Ölzeuges, was dem Ganzen leider ein gewisses Waschküchenflair verleiht. Im achterlichen Teil des Schiffes, von uns liebevoll Akommodation genannt, ist es etwas ruhiger und trockener. Zumindest solange bis Skipper und Navigator das Routing besprechen, denn hier befindet sich auch die Naviecke, in der ich jetzt gerade auch bei Rotlicht (die Sonne ist gerade untergegangen) diesen Bericht tippe.

Als letzte Räumlichkeit unserer kleinen Bordführung steht die Nasszelle auf dem Programm. Zweckmäßig eingerichtet, aber immerhin mit Tageslicht ist sie immer wieder Schauplatz akrobatischer Meisterleistungen beim Toilettengang bei Wellenschlag. Aber auch die Zeit verhält sich in unserem Universum anders. Tag und Nacht haben an Bedeutung eingebüßt. Hier zählt nur noch das Wachsystem: 4 Stunden arbeiten, 4 Stunden ruhen. Welche Tageszeit man für seine Wache erwischt ist, nachdem wir munter eine Zeitzone nach der nächsten durchqueren, einem ständigen Wandel unterworfen. So steht man bei völliger Dunkelheit auf oder geht bei strahlendem Sonnenschein ins Bett. Das ist immerhin schon vorgewärmt, denn die meisten von uns teilen sich die Koje mit ihrem Wachgegenpartner. Nun muss zunächst das Leesegel, das heisst die Kojenwand, mit einer Flaschenzugkonstruktion hochgezogen werden, um nicht im Schlaf aus dem Bett geschleudert zu werden. Einmal in den Schlafsack eingemummelt gilt es, möglichst schnell und efizient zur Ruhe zu kommen. Mehr als 3 Stunden Schlaf am Stück sind nämlich nicht drin, da von den 4 Stunden ja noch Zeit für An- und Ausziehen abgehen (oder halt für redaktionelle Tätigkeiten...). Bei der Geräuschkulisse hier - tosende Wellen an der Rumpfwand, heulender Wind, schreiende Winschkurbeln und Wachgänger - keine ganz leichte Aufgabe. Besonders bitter ist die Zeit nach dem Mittagessen, denn dann wird auch noch der Diesel angeschmissen, um die Batterien zu laden und der Wassermacher nimmt gluckernd seine Arbeit auf. Aber der Körper nimmt sich schon das, was er braucht. Danach heisst es wieder: Aufstehen, Ölzeug anlegen und ab an Deck für die nächste Wache. Und da hat man sie dann wieder: die Weiten des Ozeans und den endlosen Himmel. Liebe Grüße von uns allen aus unserer kleinen, roten Raumkapsel!

Bericht 13 18.02.2016, 03:57 UTC, 55°55.567'S 112.06.584'W