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Für nix und wieder nix

Verwüstung auf Dominika

Regenbogenwolken

Ich bin ein heimlicher Freund des Klimawandels, stets wärmer, Hamburg rückt dichter ans Wasser- wer kann dagegen sein? „Mit dem Klimawandel nehmen auch die Wolken zu,“ doziert mein Kollege und zerstört meine Vorstellung einer warmen Zukunft daheim. Ich blicke aus dem Fenster- verdammt er hat Recht. Weihnachten bei dem Wetter käme einer persönlichen Klimakatastrophe gleich, was tun?

Beide Vereinsboote liegen in der Karibik und wünschen sich Crew. Ich greife zum Tablet- Condor fliegt für 300 Euro nach Martinique. Das ist quasi nix, verglichen mit einem Flug in die Alpen zum Skilaufen. Das Bordgeld ist verglichen mit den Kosten für einen Skipass gleichermaßen fast nix. Kurzerhand beschließe ich für nix und wieder nix über Weihnachten in die Karibik zu reisen. Nun für einen Flug über die Feiertage einen recht großen Schluck aus der Pulle, aber auch das sollte zu meistern sein. Ich rufe meinen Bruder an und teile ihm mit, dass es dies Jahr nix zu Weihnachten gibt. Schon fühle ich mich besser und wiederhole den Vorgang bei dem Rest der üblichen Kandidaten. Eine Stunde später steht die Finanzierung für das Ticket. Hinzu kommen 20 Euro für Sitzplatzreservierungen und pro Strecke 20 Euro für den erforderlichen Schlummertrunk. Längst habe ich aufgehört, mich über diese Kleinkrämerei aufzuregen, für Alkoholika an Bord Geld abzudrücken. Auch zahle ich grundsätzlich im Flieger mit Karte. Das Bordpersonal hat darauf so gar keinen Bock, weswegen in Summe kurz vor der Landung kassiert wird. Es fühlt sich an, wie anzuschreiben in der Stammkneipe.

„Hihi, Martin auf Martinique,“ unkt eine Freundin - mir gefällt es und so hüpfen Anna Brünner nebst Tochter Bente, Thomas Hornig und ich am 23. Dezember in den Flieger in die Sonne. Der Rest der Crew war bereits eine Woche vorher auf Grenada eingetroffen, um die Broader View hierhin zu überführen.

30 Grad, Taxi zum Dampfer, herzzerreisende Begrüßungsszenen- das volle Programm, wir sind da. Weihnachten in der Karibik und weil es so schön ist, werden wir Silvester auch noch gleich dran hängen. Doch was wäre Weihnachten ohne Geschenke? Skipper Achim hat vorgesorgt: Ein jeder nehme ein Wichtelgeschenk von zu Hause mit. Ich nutze die Gelegenheit mein Bücherregal zu reduzieren und packe vorsichtshalber noch ein Geschenk für Chriggel mit ein. Punkt 19 Uhr entern wir den Italiener in Le Marin unweit des Hafens. Es wird gewichtelt, was das Zeug hält, gefeiert, gesungen, gelacht. Es ist anders als zu Hause, aber lässt keinen Raum für Wehmut - einfach herzlich und schön.

Nach ersten Probeschlägen machen wir uns auf nach Dominika. Eine stramme Überfahrt von rund 70 Meilen mit bis zu drei Meter hohen Wellen. Wie schon die letzten Tage gehen ständig Regenschauer runter, die ihresgleichen Suchen. Für wenige Minuten regnet es derart heftig, dass die Sicht unmöglich wird, gerne auch begleitet von Sturmböen bis 38 Knoten. Sonne- OK, mal einen Regenschauer - auch gut, aber eine Front nach der nächsten ist doch ein bisschen viel des Guten. Und wir fahren auf die Insel, auf der es statistisch am häufigsten in der Karibik regnet - denn man to.

Wir erreichen die Bucht von Phillipsburg im Norden von Dominika im Dunkeln und nach zahlreichen heftigen Schauern mit heftigen Böen. Dankenswerterweise regnet es beim Ankermanöver gerade nicht. Der Morgen bricht an und verschlafene Crewmitglieder versammeln sich an Deck. Der Anblick stimmt nachdenklich: Dominica ist intensiv von den Hurricanes heim gesucht worden. Wir sehen die fröhlich bunten Hütten und Bars an Land, teilweise ohne Dach mit eingestürzten Vordächern. Bäume liegen kreuz und quer, dazwischen Boote, die es einfach an Land geblasen hat. Ein großes Hotel steht komplett ohne Dach da - Totalverlust. Dann fängt es auch schon wieder an zu regnen. Bei aller Neugierde, die Schönheit Dominicas wollen wir uns für den Rückweg aufheben, vielleicht ist dann auch besseres Wetter. Schon rauscht der erste Einwohner mit seinem Holzboot längsseits und bietet uns seine Dienste an. Er heißt Daniel und berichtet in erstaunlicher Gelassenheit von den Verwüstungen des Hurricanes Maria - Respekt. Wir bitten Daniel, einige Besorgungen für uns zu machen, bevor wir uns weiter in Richtung der Isles des Saints machen. Denn alleine durch aufmunternde Worte werden sie die Hütten nicht wieder aufbauen können.

Dominica liegt hinter uns, eingehüllt in eine dicke Wolke. Wir segeln dem guten Wetter entgegen und sind gespannt, was die kleine Inselgruppe voraus uns bescheren wird. Zeit.