Kurz, nass und krass
Schon seit Tagen war Julius ganz hibbelig. Bei jeder Gelegenheit wies er uns auf die Cirren hin, die für eine Warmfront in etwa 500 Kilometer Entfernung sprechen würden. Dieser Warmfront folgt eine Kaltfront und "da ist richtig Druck in der Luft". Und so bereiteten wir uns in Muxia auf die Fahrt über die Biskaya vor. Geplant war eine Segelzeit von einem Tag und siebzehn Stunden. Erik wurde schon ganz nervös als seine Crew vorsichtigerweise die Medikamente gegen Seekrankheit bereit legte.
Am Abend vor der Abreise wurden Wetten abgegeben wann wir in Brest, oder einer anderen Stadt in Nordfrankreich ankommen würden ohne zu wissen wann es genau los geht. Die Wache bestehend aus Julius, Lukas und Fabrice wettet auf eine Ankunft um 13 Uhr 10 am Sonntag. Die Wache von Lily, Erik und Jan wettet mit 16 Uhr am selben Tag. Der Einsatz ist wiederum das Anlegebier.
Immer wieder wurde das Wettermodell aktualisiert und die Abreise nach hinten verschoben. Um 18 Uhr am Freitag ging es endlich los. Im dichten Nebel schob sich die Störtebeker aus dem Hafen von Muxia auf den Atlantik. Bald lichtete sich der Nebel und die Störtebeker lief mit 7 Knoten Fahrt in die Nacht.
Am nächsten Morgen war die Wetterlage unverändert. Immer noch 7 Knoten Fahrt. Keine Warm- und keine Kaltfront. Und das obwohl sich alle Wettermodelle einig waren. Und wieder wurde Julius hibbelig. Der Wind hat Verspätung. Eigentlich sollte es jetzt schon 25 Knoten haben. Doch: nichts. Vor einer Gewitterfront wird sicherheitshalber gerefft. Als der Bootspeed fällt wird das Reff wieder rausgenommen. Auch die Windrichtung ist eher inkonsistent: "Das ist ja wie auf dem Starnberger See hier!" heißt es von Lukas.
Pünktlich zum Ende der Vormittagswache geht es dann los. Das Barometer fällt, der Wind kommt. Bald wird gerefft. Erstes Reff, zweites Reff. Die G2 wird gegen eine Sturmfock getauscht. Und ab geht die wilde Fahrt. Vollwaschgang. Eine See nach der anderen geht über. Mit im Schnitt 12 Knoten Fahrt pflügen wir uns durch die Biskaya. Fabrice fühlt sich das an das kurze Hack der Elbe erinnert, wenn Tide gegen Wind steht. Bald ist alles nass. Und doch ist die Laune gut, denn es macht außerordentlich Spaß unter diesen Bedingungen zu segeln.
Die Schlafzeiten verkürzen sich durch die wilden Wellenschläge erheblich. Die Bilge wird regelmäßig geflutet. Und so wird neben der Wache gelenzt und geöst. Schwierig gestaltet sich das Verbringen der Eimer aus der mittleren Bilge in das Cockpit. Und so ist es Julius der das Wecken zur Mitternachtswache übernimmt und wüste Beschimpfungen auf Boot, Wetter und Nässe ausspricht, nachdem er vorwärts mit einem vollen Eimer in Richtung Steuerbordbilge gestolpert ist.
Je näher wir Brest kommen, desto mehr beruhigt sich Wind und Wellengang. Es wird ausgerefft und die Genua hochgezogen. Auch die Sonne lässt sich blicken als wir in die Rade du Brest einlaufen. Um 16:10 machen wir in Brest fest. Die Wache von Lily, Erik und Jan hat gewonnen. Für die Überfahrt üner die Biskaya wurden nur 46 Stunden benötigt. Neuer HVS Rekord? Die Crew lässt sich jedoch das sündhaft teure Anlegebier auf Kosten von Julius, Lukas und Fabrice gehörig schmecken.
Schwierig gestaltet sich dann die Planung der Rückreise. Mietwagen gibt es in Brest nicht. Der Zug nach Hamburg ist ausgebucht. Und so reisen wir per Flixbus, Bahn und Flugzeug auf ganz unterschiedliche Weise nach Deutschland zurück.
Als wir aus Brest abreisen um auf mehr oder minder abenteuerliche Weise wieder zurück nach Hamburg, Kiel und München zu kommen zieht die nächste Warmfront über die friedlich im Hafen liegende Störtebeker.