Far too much Liquid Sunshine
Wir
verabschieden uns von Schweden bei entspanntem Segelwetter und
Sonnenschein- Kurs Lettland. Ursprünglich sollte es nach Kuiguste gehen
wo eine Jugendregatta nach Kiel gestartet werden sollte. Wer weiss, wo
Kuiguste liegt-Keiner? Bitte- und wahrscheinlich wusste auch niemand,
wie er dort hin und jemals wieder weg kommen sollte. Ergo gibt es
mangels Konkurrenz keine Regatta. Unser hochmotivierter Jungskipper
möchte aber unbedingt in den Osten- sind ja nur bummelig über 200
Meilen. Bei der Vorhersage war es abzusehen, dass die nächste Regenfront
nicht lange auf sich warten lässt- and here we go. Mit ausreichend
Drehern und Böen wird es nicht langweilig, jedoch alles safe ohne grosse
Segelwechsel. Der Tag neigt sich, wir wechseln in den Wachmodus.
Wetterbesserung bedeutet aktuell lediglich, dass es mal nicht regnet.
Niklas, Achim und Konsorten haben die Hundewache gezogen. Als wir
morgens um vier Uhr verschlafen zur Wachablösung erscheinen, ist der
Himmel im Osten knallrot. Den westlichen Himmel ziert ein 180 Grad
Regenbogen- beeindruckend, das stimmt milde. Kurz darauf schaltet Petrus
wieder auf Dauerregenmodus- ein Bilderbuchsommer auf der Ostsee.
Gegen
15 Uhr erreichen wir Ventspils in Lettland. Es ist aufgrund des Öl- und
Kohleumschlags eine der wohlhabenderen Städte, was aber zumindest den
Hafen nicht zwingend attraktiver gestaltet. Wir legen in einem kleinen
Sportboothafen mit einem extrem entspannten Hafenmeister an. Die Haspa
fällt in solchen Häfen mit ihrem knallroten Rumpf und dem schnellen Riss
enorm auf. Umso wichtiger ist es, die Menschen hier zuvorkommend zu
adressieren. Scheint zu klappen- wir fühlen uns willkommen. Zudem macht
die Sonne eine kleine Stippvisite, so dass die Crew entspannt aufklaren
kann.
Auf geht es zum Einkauf, krass- alles in Euro. Kaum ein Mensch
versteht uns, sie haben aber dieselbe Währung. Übervoll mit Schnäppchen
beladen - die pintgrosse Dose Bier kostet nur 1,07 Euro- gönnen wir
uns ein Taxi zurück zum Hafen- für 5 Euro. Auf dem
Erkundungsspaziergang haben wir ein kleines Restaurant entdeckt, welches
wir zu später Stunde mit der gesamten Crew entern. Es schmeckt
grossartig und die Preise - wer hätte es gedacht- im Imbissbudenbereich.
140 Euro um 11 Mäuler mit guten Getränken und Vorspeise zu stopfen.
Besonders Ricky ist glücklich und möchte jetzt öfter hierher kommen- ich
bin noch nicht soo überzeugt.
Und wo wir schon mal die grosse
Osttournee geplant haben, da können wir ja gleich noch in Danzig
vorbeischauen- lediglich 27 Stunden, dann sollten wir auch schon da
sein. Der Tag beginnt grossartig- ich bekomme von Niklas einen Kaffee in
die Koje gereicht- mein Held des Morgens! Die Sonne scheint, der Wind
ist stetig. Ich bin mir sicher: das wird ein grossartiger Tag- wir haben
ohnehin keine andere Wahl. Optimale Bedingungen für den A6 und so
braten wir bei Sonnenschein mit einem Top Speed von 17,8 Knoten
-eingestellt von Cosima, unserer Jüngsten- gen Süden. So hab ich das
gebucht. Der Regen krallt sich an der Küste fest, unter riesen Cummulus
Gebilden.
Doch irgendwann schaut die Regenfront auch nach uns- und
sie soll noch viele Kumpel nach sich ziehen. Es beginnt zu regnen, wir
läuten den Wachmodus ein. Jeder zieht an, was er findet und es geht
wechselseitig ab in den Regen. Mir scheint, das wasserdichte Ölzeug muss
noch erfunden werden. Meine Highperformance Hose war am Mors noch nie
so richtig dicht; die Stiefel mal so mal so. Verglichen mit den Newbies
in der Crew ist das jedoch Jammern auf höchstem Niveau, die sind alle
eher spartanisch ausgestattet mit alter Garderobe. Die Stimmung hält
sich dennoch erstaunlich gut. Um 20 Uhr Bordszeit beginnt meine
Freiwache. Das Ölzeug ist inzwischen überall durch- ein hoch auf die
Hightech-Fasern. Was solls- Schlafsack ist trocken, ich mache erst mal
Bubu. Ein mega lautes Knarzen der Genuaschot über mir weckt mich. "Ist
so, lässt sich nicht abstellen."- hm, ist ja eh keine rechte
Schlafenszeit. Mitternacht, der Regen scheppert auf Deck. Boah, das hab
ich nicht gebucht. Wir reden hier von knapp über 10 Grad, starke See,
ordentlicher Wind und Regen, teils kräftige Schauer. Felix hat sich
inzwischen ein paar Seestiefel geborgt und eine Crewjacke
untergezogen-es ist seine Jungfernfahrt. Die Frage, ob er sich nochmal
auf einem Boot blicken lassen möchte, stellen wir lieber an das Ende der
Reise. Wind geht runter auf 6 Knoten raum- das macht überhaupt keinen
Spass, also Jockel an. Draussen ist es stockfinster- kein Mond, kein
Licht, nur Regen- Traumurlaub.
Irgendwann hat auch diese Wache ein
Ende, alle sind sichtbar bedient, aber niemand schlecht gelaunt- jetzt
fix ab in die warme Koje, in vier Stunden sieht die Welt sicher wieder
ganz anders aus.
Ich schlafe erstaunlich gut, werde angemessen
liebevoll geweckt- Regen. Bitte nicht- diese Prasseln brauche ich
überhaupt nicht mehr, nicht jetzt und überhaupt die ganze Reise nicht
mehr. Wie kann es den über Tage und Wochen so ein scheiss Wetter in
Skandinavien sein? Mal ein/ zwei Tage Regen als Preis für grüne
Landschaften- aber was soll das hier? Ich bin der festen Überzeugung,
dass dies der Urlaub mit dem miesesten Wetter in meinem ganzen Leben
werden wird. Nächstes Mal lasse mich mich mit dem Heli abbergen oder
trampe in den Süden, Hauptsache warm und trocken. Aber jetzt möchte erst
mal die Wache abgelöst werden.
Es sind wirklich alle Klamotten
nass-feucht- mein Mors war seit 12 Stunden nicht trocken- ich hasse
"liquid sunshine". Eva und ich philosophieren, ob Pampers in dieser
besonderen Situation eine Alternative wären. Als grösstes Glück
erscheint mir im Moment, dass alle wohl auf sind. Bei dem Wetter
seekrank zu werden zählt zu den schlimmsten Erlebnissen auf diesem
Planeten. Ich bin stolz auf unsere kleine Crew, alle sind tapfer- also
stehen wir das hier auch noch durch- Danzig voraus.