Schnuppersegeln auf der HASPA
Freitag 14:30 Uhr. Ich bin leicht gestresst. In zwei Stunden bin ich mit Michel am Hauptbahnhof verabredet. Stand jetzt habe ich aber noch nicht mal die Wettervorhersage angeguckt, geschweige denn irgendwas an Klamotten gepackt. Und Mittagessen wollte ich eigentlich auch noch. Der Plan ist mit vielen neuen Interessenten bis Sonntag von Kiel aus nach Dänemark und zurück zu segeln und ihnen dabei den HVS und das Boot, in unserem Fall die HASPA Hamburg, näherzubringen und viele Chancen zum Ausprobieren zu geben, "mal reinschnuppern" eben.
Da das Ganze ja keine Regatta werden soll, löse ich mein kleines Packproblem, indem ich einfach meine größte Tasche nehme und alles reinstopfe, was mir irgendwie sinnvoll erscheint. Ölzeug, Schlafsack, Zahnbürste, Pullover, Stiefel (soll ich die wirklich mitnehmen? Ganz dicht sind sie ja leider nicht mehr…) und auch eine Stirnlampe kommt mit, bei der ich noch schnell die Batterien tausche. Am Ende stehe ich vor einer Tasche, die nach mindestens zwei Wochen Urlaub aussieht und nicht nach zwei Tagen segeln. Egal, es ging schnell. Das Mittagessen wird kurzerhand auf ein Brötchen unterwegs verschoben, für das nächste Semester werden noch schnell ein paar Kurse an der Uni gewählt und dann auf zur S-Bahn. Am Hauptbahnhof komme ich drei Minuten vor Abfahrt an. Pünktlich, aber definitiv nicht zu früh. Bei bestem Segelwetter fahren wir Richtung Kiel und tauschen uns über die Erwartungen fürs Wochenende aus.
Am Boot angekommen, treffen wir die ersten anderen Crewmitglieder samt Skipper. Sofort fangen die Vorbereitungen für das Wochenende an, es werden Segel gesucht, Proviant eingekauft und Taschen verstaut. Beim Abendessen und ausreichend Pasta gibt es noch eine ausführliche Vorstellungsrunde, bei der schnell klar wird, dass alle natürlich unterschiedliche Erfahrungen mitbringen, grundsätzlich aber alle segeln können. Außerdem legen wir fest, dass das morgige Ziel Sonderborg ist, um am Sonntag bei viel Wind auf dem Rückweg unter der Küste bleiben zu können.
Mit der Crew von der Broader View werden noch Schwimmwesten, Kaffeebecher und Toilettenkarten getauscht, sodass alle am nächsten Tag gut starten können.
Morgens werden wir mit schönstem Sonnenschein geweckt und nach einem ausgiebigen Frühstück und der obligatorischen Sicherheitseinweisung heißt es dann Leinen los. Wenn das Großsegel erstmal steht und der Motor ausgeht, ist das für mich immer einer der schönsten Momente einer jeden Segeltour. Beim Setzen der G3.5 werden ein wenig die Besonderheiten auf dem Vorschiff besprochen und dann geht das Segel hoch. Als wir aus der Kieler Förde heraus sind, wechseln wir auf den A6. Ahmed navigiert uns Richtung Sonderborg und wir genießen das schöne Wetter, das mit 10 kn Wind und Sonnenschein kaum besser für den ersten Tag hätte sein können. Jeder kann sich mal am Gennaker-Trim ausprobieren und auch am Grinder wird kräftig durchgetauscht. Jonathan übernimmt derweil den Main-Trim und Carolina kommt auf den Geschmack beim Steuern. Irgendwann kommt dann die Entscheidung, auf die Jib-Top zu wechseln. Nochmal schnell mit Michel im Pit die Reihenfolge besprechen und das Fallenschloss erklären und dann muss ich erstmal selbst nachdenken und mir den Furler angucken, damit wir den vorne auch richtig herum einbauen. Dann ziehen Julian und Stefan das Segel hoch. Bevor wir das Segel ausfurlen können, brauchen wir dann aber doch nochmal einen kleinen Moment und einen Tipp von Bernard. So geht es dann unter Jib-Top weiter Richtung Dänemark.
Nachdem wir in Sonderborg festgemacht und alles aufgeräumt haben, wird Curry gekocht und parallel eine große Runde “Lügen” gespielt. Die Qualität der bei diesem Spiel eben notwendigen Lügen ist eher schwankend, dafür ist die Qualität der Nebengespräche durchweg hoch; besser so als andersherum, kann man sagen.
Nach dem Curry will dann ein Großteil der Crew nochmal kurz in die Ostsee springen und wir machen noch einen kleinen Spaziergang zur nahegelegenen Badestelle am Strand. Anschließend wollen alle noch schnell unter die warme Dusche. Hier rächt sich dann mein anfängliches unorganisiertes Packen und ich stelle fest, dass ich wohl mein Shampoo vergessen habe. Kurz danach sind alle erschöpft und es geht in die Koje.
Am nächsten Morgen zeigt sich die Ostsee wie vorhergesagt mit deutlich mehr Wind und schon das Ablegen gestaltet sich etwas langwieriger. Erst im zweiten und danach im dritten Reff und der kleineren G5 segeln wir zurück nach Kiel. Auch wenn es an Deck deutlich ungemütlicher als noch am Vortag ist, freuen sich alle über die unterschiedlichen Bedingungen. Außerdem merkt man, dass selbst bei mehr Wind alle nach einem Tag schon viel gelernt haben. Linus und Rike machen einen super Job auf dem Vorschiff und mit Konrad am Steuer kreuzen wir die Kieler Förde hoch nach Düsternbrook. Irgendwann schiebt sich von hinten die Störtebeker an uns vorbei, die von der Flensburger Fördewoche kommen. Gerade als wir das Großsegel bergen wollen, zieht von hinten eine graue Regenwand auf uns zu. Also erstmal schnell die G5, die schon unten ist, unter Deck bringen, damit wenigstens diese trocken bleibt. Als wir dann schlussendlich anlegen, ist es auch schon wieder halbwegs trocken und es ist Zeit für ein kurzes Zwischenfazit zum Wochenende. Zusammengefasst: erschöpft, viel gelernt und noch mehr Spaß gehabt.
Danach beginnt das große Aufräumen. Bilgen trocknen, Boden wischen, Segel verstauen und Deck spülen. Zwischendurch gibt es noch den Rest Curry und danach werden die verbliebenen Lebensmittel aufgeteilt. Der Salatkopf hat es am schwersten und findet erst nach mehrmaligen Überlegungen, ihn heimlich jemandem mitzugeben, eine glückliche Abnehmerin. Dann heißt es abschließen und es geht für alle zurück nach Hause.