Die Ostsee entgegen dem Uhrzeigersinn von Tallin nach Kiel
Für die ersten begann die Rücküberführung der Störtebeker von Tallinn nach Kiel schon um 3 Uhr morgens. Denn Julius, Nico und Fabrice hatten den frühsten der Flüge gebucht. Den Vorteil hatte die ORC-Crew, denn die hat kurz nach dem letzten Inshorerace ein Siegerbier an den Liegeplatz geliefert bekommen. Über den Tag vervollständigte sich die Crew mit Sixtus, Lilith, Matthias, Ole, Maybritt und als letzte kurz vor Mitternacht Carlotta. Am nächsten Tag sollte Line dazu kommen, die die Störti bereits nach Tallinn überführt hat und im Anschluss an den Weltmeisterschaften teilgenommen hat.
Besonders spontan war Adrian, der Sonntag gefragt wurde ob er mit will und kurzerhand am Montag an der Pier stand. Doch dann stellte sich heraus: Sein Koffer ist in Kopenhagen liegen geblieben. Um den Zeitplan einzuhalten musste jedoch noch am Montag abgelegt werden. Binnen einer halben Stunde musste er die Entscheidung fällen: Mitsegeln und nicht nur Koje, sondern auch Ölzeug teilen – oder spontan zurück nach Hamburg fliegen. Da war doch die Entscheidung klar. Schnell wurden die wichtigsten Hygieneartikel eingekauft und die Crew war vollständig.
Die erste Nacht war ruppig – wenn nicht gar zornig. Die Welle war kurz und es stand eine anstrengende Kreuz mit vielen Schlägen bevor. Bei Übergang in das Wachsystem macht sich bei vielen Seekrankheit breit. Doch bei Morgengrauen war die Bucht von Tallin verlassen und die Lage hat sich durch einen weit günstigeren TWA deutlich beruhigt. Wir wechseln von der Sturmfock auf die Touren-Jib. Jetzt lautete es Kurs Schweden.
Die Crew – die sich zu größeren Teilen nicht vorher kannte – harmoniert hervorragend. In den Wachen wurde viel Deep- aber auch Shittalk geführt und zuweilen Macarena getanzt. Es gab Partywachen und Quaselwachen. Manchmal fehlt eigentlich nur das Lagerfeuer in der Mitte des Cockpits. Dem stand nur leider der recht brennbare Baustoff Carbon entgegen. Die Stimmung war durchgehend hervorragend und es gab immer etwas spannendes zu erzählen und zu erleben. Darunter gelitten hat vor allem Julius, der als Skipper wachfrei fuhr. Denn er lebte immer in der Angst die spannendsten, witzigsten und schönsten Momente der jeweiligen Wachen zu verpassen.
Unter der Küste Schwedens zogen wir den FR0 und die Fahrt wurde noch schneller. Der Wind ging uns erst in der dritten Nacht aus. Kurz vor Bornholm wurde der Motor angeschmissen – doch zum Glück nur kurz. Alsbald wurde das Vorsegel wieder gesetzt und es hieß Schlussspurt. Bornholm Richtung Zielhafen Sassnitz. Vor Rügen musste der neue Windpark passiert werden. Dort wurden wir von einem Guard Vessel angefunkt. Wir sollten bitte unseren Kurs anpassen. Gemacht getan. Plötzlich werden wir wieder angefunkt mit Bitte um Kurswechsel. Unter Deck wundern sich die Freiwachen langsam, warum an Deck ständig gehalst und gewendet wird, obwohl doch ein Halbwindkurs angesagt war. Am Ende sind wir im Kreise gesegelt. Angekommen in Sassnitz ist das Guard Vessel bei vielen Seglern Thema – denn nicht nur wir wurden wohl zu unnötigen Manövern gezwungen.
Der Freitag sollte ein Hafentag werden. Es waren 25 Knoten gegenan angesagt. Das muss man ja nicht haben, wenn es am nächsten Tag moderate Winde bei räumlichen Winden geben soll. Und so besuchten wir das U-Boot, gingen Kaffee trinken und stiegen auf die Kreidefelsen. Zugleich fand ein Crewwechsel statt. Adrian – der dann doch seinen Koffer vermisst hat – geht von Bord und Bende ersetzt ihn.
Am nächsten Morgen wurde früh abgelegt, um die besten Windphasen zu erwischen. Zunächst ging es unter Großsegel (ohne Reffs) und der Genua los. Doch kaum lugen wir unter der Kante der Kreidefelsen hervor, prescht uns ein Inferno entgegen. Zunächst sind es noch Winde von 18 bis 25 Knoten. Wir gehen auf einen räumlichen Kurs um die Reffs und einen Segelwechsel vorzubereiten. Als wir wieder hoch rangehen können, segeln wir nun mit Sturmfock und zwei Reffs und müssen obendrein vier Seemeilen gut machen, die wir durch den Raumkurs in Richtung Bornholm verloren haben.
Den ganzen Tag geht es gegenan bei bis zu 28 Knoten. Das sind 15 Knoten mehr als noch am Morgen im Wetterbericht vorhergesagt und auch die Windrichtung ist eine völlig andere. Ständig gehen Seen über. Es ist nass an Bord und unter Deck, doch die Stimmung ist ungebrochen gut. Und so kämpfen wir uns bis an den Fehmarnbelt, wo der Wind gegen Abend rapide abnimmt. Also werden die Reffs rausgenommen und es geht unter Motor durch den Belt. Kurz hinter dem Fehmarnbelt nimmt der Wind wieder zu. Zunächst segeln wir wieder mit der 3,5. Gegen 2 Uhr nimmt der Wind wieder so zu, dass wir für die letzten Meter nach Kiel doch noch auf die Sturmfock wechseln.
Als wir in der Förde einlaufen hat die Temperatur stark abgenommen. Im Morgengrauen legen wir an. Gegen 9 Uhr ist die Störtebeker wieder Hafenfrisch und die Crew führt Julius seiner gerechten Taufe im Hafenbecken zu. Denn dies war seine erste Langfahrt als Skipper.